Auf einen Blick
- Der Next Generation EU-Pakt ist ein Fonds, mit dem Europa nach der Coronakrise wirtschaftlich wieder aufgebaut werden soll. In fünf Bereichen werden Investitionen der Mitgliedstaaten gefördert: Umweltschutz, Digitalisierung, Gesundheit, Bildung und Gleichberechtigung. Dafür stehen ca. 750 Mrd. € bereit.
- Um den Plan gab es viel Streit. Einige Mitgliedstaaten finden es nicht gut, wenn finanziell schwache Länder von den reicheren Ländern mitfinanziert werden. Genau das finden aber viele Länder gut, weil es dem Charakter der EU als Solidaritätsgemeinschaft entspricht.
- Außerdem sind Ungarn und Polen damit unzufrieden, dass die Auszahlung verweigert werden kann, wenn Länder sich nicht an die gemeinsamen Rechtsstaatlichkeitsprinzipien halten. Ihre Klage dagegen wurde aber vom Europäischen Gerichtshof (EuGH)abgewiesen.
- Deutschland möchte vor allem in Klimaschutz und Digitalisierung investieren. Dafür hat es etwa 25 Mrd. € eingeplant.
“Next Generation EU” ist der vielversprechende Name eines europäischen Wiederaufbaufonds für die Zeit nach der Coronapandemie - und tatsächlich ist er kein langweiliger Haushaltsposten, sondern bietet viele Möglichkeiten, die EU zukunftsfähiger und moderner zu gestalten.
Was ist der Next Generation EU-Fonds?
Der Fonds beinhaltet etwa 750 Mrd. €, welche die EU den Mitgliedstaaten zur Verfügung stellt. Mit diesem Geld können Projekte finanziert werden, die für eine nachhaltige und lebenswerte Zukunft der EU besonders wichtig sind. Die “nächste Generation” der EU, also vor allem die Jugend, soll alle Möglichkeiten haben, ihre Chancen in Bereichen wie Bildung und Arbeit zu nutzen – daher der Name.
Die EU möchte in fünf Bereiche investieren: Klimaschutz, Digitalisierung, Gesundheit, Bildung und Gleichberechtigung. Für den Klimaschutz hat die EU sogar fast ein Drittel des gesamten Fonds vorgesehen. Das deckt sich mit dem Ziel der EU, bis 2050 komplett klimaneutral zu sein. Auch das Erasmus-Programm, das Studierenden Austauschsemester ermöglicht, soll mit mehr Geld ausgestattet werden.
Diese Finanzen werden von der EU erst einmal bereitgestellt. Wenn Geld aus dem Fonds beantragt wird, müssen die Antragsteller offenlegen, wofür es eingesetzt werden soll – erst dann wird es ausgezahlt. Teilweise werden Kredite gewährt, das Geld muss dann also nach einiger Zeit zurückgezahlt werden. Es gibt aber auch Subventionen, die nicht zurückgezahlt werden müssen.
Die Einrichtung des Fonds wurde von vielen Problemen begleitet. Um welche Probleme es sich handelte, werden wir uns jetzt genauer ansehen.
Schuldenunion oder Union der Solidarität?
Üblicherweise kann die EU nur das Geld ausgeben, das sich auch tatsächlich in ihrem Budget befindet, beispielsweise durch Zahlungen der Mitgliedstaaten. Bei diesem Wiederaufbaufonds handelt es sich nun um die erste eigene Schuldenaufnahme in der Geschichte der EU. Ob das überhaupt geht, ist rechtlich sehr umstritten. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar Zweifel angemeldet, aber noch keine Entscheidung getroffen. Auch politisch gab es viel Streit um die gemeinsamen Schulden. In Italien gab es deswegen sogar eine Regierungskrise, im Zuge derer ein neuer Regierungschef ernannt wurde.
Für die Aufnahme gemeinsamer Schulden spricht, dass die EU dadurch unabhängiger von den sie finanzierenden Ländern wird. Die europäische Solidarität wird gestärkt, weil die finanziell starken Länder die ärmeren mitfinanzieren. Außerdem müssen sich einzelne Mitgliedstaaten nicht verschulden, um ihre Beiträge an die EU zu bezahlen. Das wiederum wird von einigen Politiker:innen als gefährlich angesehen, denn durch die gemeinsamen Schulden müssen reiche Länder mehr zahlen, um finanziell schwächere Mitgliedstaaten zu entlasten. Deutschland, eines der Länder mit den höchsten Mitgliedsbeiträgen, sprach sich übrigens für die gemeinsamen Schulden aus. Pro Einwohner zahlt Deutschland jetzt einen Euro mehr an die EU.
Der Aufbaufonds wird allerdings nicht nur über Schulden finanziert. Hauptsächlich wird er von den normalen Beitragszahlungen der EU-Staaten bezahlt. In Zukunft sollen europäische Abgaben folgen. Dann zahlen Unternehmen zum Beispiel eine CO2-Steuer oder eine Digitalsteuer direkt an die Union.
Wie stehen die Parteien dazu?
Im Februar 2021, also einige Monate vor der Bundestagswahl, wurde im Bundestag über den Fonds beraten und abgestimmt. Olaf Scholz von der SPD, damals Finanzminister, hat für ihn geworben und bezeichnete ihn als einen Schritt auf dem Weg zu einer gemeinsamen EU-Finanzpolitik. Außerdem sei er wichtig für den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Coronapandemie. Ähnlich sahen es die Grünen und sprachen sich dafür aus, mehr Geld in Klimaschutz und Digitalpolitik zu investieren. Die Linke wollte insbesondere die angekündigten europäischen Steuern nutzen, um für Gerechtigkeit zu sorgen und das Geld umzuverteilen. Dennoch haben sie sich in der Abstimmung enthalten.
Der damalige Koalitionspartner der SPD, die CDU, begrüßte den Wiederaufbaufonds. Sie betonte aber, dass das Geld zielgerichtet und schnell eingesetzt werden müsste. Deswegen hat sie durchgesetzt, dass die Bundesregierung dem Bundestag berichten soll, wie das Geld investiert wird und welche Fortschritte es gibt. Denn die EU dürfe auf keinen Fall eine “Schuldenunion” werden. Die FDP hat zwar für den Fonds gestimmt, wollte die Zustimmung aber zeitlich begrenzen und die Höhe der gemeinsamen Schulden mit einer Obergrenze versehen. Dieser Antrag scheiterte allerdings im Bundestag.
Die AfD kritisierte, die EU würde durch die gemeinsamen Schulden immer mehr Befugnisse erhalten. Außerdem behauptete die Partei, das Geld würde gar nicht primär für die Folgen der Coronapandemie eingesetzt werden – stattdessen würden viele Mitgliedstaaten den Fonds als “Geldgeschenke” ansehen.
Im Koalitionsvertrag der amtierenden Bundesregierung wird Next Generation EU als zeitlich begrenztes Mittel zum Aufbau nach der Pandemie bezeichnet. Die Regierung möchte sich auch dafür einsetzen, dass die Gelder europaweit sinnvoll und effizient eingesetzt werden.
Rechtsstaatlichkeit
Ein weiterer Streitpunkt war, dass keine Gelder an Länder gehen sollen, die sich nicht an die gemeinsamen EU-Gesetze halten. Damit soll sichergestellt werden, dass sich alle Länder an das gemeinsame Prinzip der “Rechtsstaatlichkeit” halten. Es soll Staaten zum Beispiel verboten sein, das Geld zur Finanzierung von Reformen einzusetzen, durch die Minderheiten diskriminiert werden. Insbesondere Polen und Ungarn hatten deswegen befürchtet, dass sie kein Geld aus dem Fonds erhalten würden, weil die EU-Kommission sie in der Vergangenheit oft wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit kritisiert hatte. So haben sie mit verschiedenen Mitteln versucht, diesen sogenannten “Rechtsstaatlichkeitsmechanismus” aus der Vereinbarung zu streichen. Beispielsweise haben sie dagegen geklagt und mit politischen Mitteln versucht, den gesamten Aufbaufonds aufzuhalten. Im Zuge dessen haben sie zumindest erreicht, dass ihnen bis zur Behandlung ihrer Klage keine Auszahlungen gestrichen werden konnten. Das Gericht hat mittlerweile aber entschieden, dass es zulässig ist, die Auszahlungen an die Gewährleistung von Rechtsstaatlichkeit zu knüpfen.
Was plant Deutschland?
Deutschland hat bisher ungefähr 25 Mrd. € aus dem Fonds abgerufen.
Damit sollen etwa 135.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Im Energiebereich möchte Deutschland mehr auf Wasserstoff setzen und durch elektrische Autos, Züge und Busse den CO2-Ausstoß senken. Dafür sollen etwa 560.000 E-Autos vom Staat mitfinanziert werden. Insgesamt investiert Deutschland vor allem in technische Innovationen und Forschung – wir wollen endlich digitaler werden. Die Verwaltung soll aber auch transparenter gestaltet und Online-Behördengänge ermöglicht werden.
Deutschland setzt sich mit dem Geld aus dem Next Generation EU-Fonds also für eine bessere Digitalisierung, ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und den Klimaschutz ein.
Next Generation Eu (2022)
https://europa.eu/next-generation-eu/index_en#ecl-inpage-36
Bundestag stimmt dem Eigenmittelsystem der Europäischen Union zu, Bundestag, abgerufen am 6.03.22,
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw08-de-eigenmittel-eu-821758.
Langfristiger EU-Haushalt: Mehr Geld für Klimaschutz und Digitales (BPB), abgerufen: 18.02.22,
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/326427/langfristiger-eu-haushalt-mehr-geld-fuer-klimaschutz-und-digitales/
Streit um EU-Aufbaufonds Deutschland darf sich beteiligen – vorerst (Tagesschau), abgerufen am 15.02.22, https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/eu-coronahilfen-bundesverfassungsgericht-101.html und BVerfG Az. 2 BvR 547/21
https://www.cducsu.de/presse/pressemitteilungen/18-billionen-euro-fuer-die-eu-bis-2027-zum-wirtschaftlichen-wiederaufstieg-aus-der-corona-pandemie und Bundestag stimmt dem Eigenmittelsystem der Europäischen Union zu, Bundestag, abgerufen am 6.03.22, https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw08-de-eigenmittel-eu-821758.
Staatskrise in Italien beendet – Draghi wird neuer Regierungschef (ZDF), abgerufen: 15.02.22,
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ehemaliger-ezb-chef-draghi-soll-italien-regieren-100.html
Langfristiger EU-Haushalt: Mehr Geld für Klimaschutz und Digitales (BPB), abgerufen: 18.02.22,
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/326427/langfristiger-eu-haushalt-mehr-geld-fuer-klimaschutz-und-digitales/
Europäische Solidarität aus der Not heraus (BPB), abgerufen: 18.02.22,
https://www.bpb.de/themen/wirtschaft/schuldenkrise/318373/europaeische-solidaritaet-aus-der-not-heraus/
Olaf Scholz sieht EU auf dem Weg in eine gemeinsame Finanzpolitik, Bundestag, abgerufen: 6.03.22,
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw08-de-eigenmittel-eu-821758
Verstöße gegen Rechtsstaatlichkeit: EU kann gegen Polen und Ungarn vorgehen (Tagesschau), abgerufen am 18.02.22, https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-988877.html
Recovery and Resilience Scoreboard, Europäische Kommission, abgerufen: 15.02.22,
https://ec.europa.eu/info/business-economy-euro/recovery-coronavirus/recovery-and-resilience-facility/germanys-recovery-and-resilience-plan_en